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“Ehrenhaft selbst disqualifiziert”

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Erik Nohlin und Recep Yesil.
Foto: wearegoingawol.tumblr.com

Karlsruhe (pom). Recep Yesil hat das Transcontinental-Race schon seit einiger Zeit beendet und ist sicher in Istanbul angekommen. Boulevard Baden sprach mit dem Karlsruher über die Erfahrungen, die er während dem Rennen sammeln konnte und wie es ihm ergangen ist.

Wie lange haben Sie nun insgesamt für die Strecke London-Istanbul gebraucht?
Recep Yesil: 14 Tage, 6 Stunden und 30 Minuten.

Zwischenzeitlich, als Sie durch Frankreich gefahren sind, ging es Ihnen nicht gut und Sie haben sich aus der Wertung des Rennens herausnehmen lassen: Was für Auswirkungen hatte das für Sie und wie sind Sie den weiteren Verlauf des Rennens angegangen?
Yesil: Das war gleich am dritten Tag und im Rückblick das Beste was mir hätte passieren können. Erik und ich sind morgens immer zusammen losgefahren und haben uns abends auch immer zusammen eingefunden, aber an diesem Tag war er mir um 19 Uhr etwa 30 Kilometer voraus und ich bereits reif für die Falle. Also beschloss ich mein Zelt aufzuschlagen, mich auszuruhen und ab Mitternacht weiter zu fahren. Als ich mich um Mitternacht startklar machte, hatte er 90 Kilometer entfernt sein Zelt aufgeschlagen. Ich nahm mir vor, ihn in fünf Stunden einzuholen.

Leider entpuppte sich diese Nacht als die schlimmste die ich bis dahin hatte: ein Magen-Darm Infekt liess mich jedes einzelne Kornfeld aufsuchenen, und die immer noch vorhandene Müdigkeit zwang mich jede Stunde 20 Minuten Powernaps einzulegen, da ich zum wiederholten Male auf dem Rad eingeschlafen war. Ich brauchte für die 90 Kilometer neun Stunden – Erik war schon wieder weiter und ich musste eine Entscheidung treffen. So nahm ich mir den Tag zum regenerieren, dachte nach und beschloss die 150 Kilometer die er mir mittlerweile voraus war per Bus zu überbrücken und von dort weiter zu fahren – Rennen hin oder her; das gemainsame Erlebnis war mir nach wie vor wichtiger als irgendein Ergebnis. So habe ich dem Race-Director Mike Hall eine entsprechende SMS geschickt und mich, wie er es im Nachgang genannt hat, “ehrenhaft selbst disqualifiziert”.

Seine Antwort war mehr als perfekt, sie war inspirierend und motivierend zugleich: “Hey, das ist dein Trip und es ist für jeden einzelnen eine ganz individuelle Sache. Lass dir deinen Traum nicht durch einen Rennkontext ruinieren – geniess jede Minute!” Das war der Durchbruch für mich. Frei von Renndruck, frei von Erfolgsdruck erinnerte ich mich wieder daran worum es mir denn ursprünglich bei dieser Tour ging. Und es kam wie es kommen musste, ich habe jede restliche Minute genossen und bin durchgefahren. Ein Glück dass mein Geist meinen Körper früh genug runtergebremst hat, nur das brachte mich zurück ans Wesentliche, nämlich an den Genuß. Und mit dem Genuß kam auch mein persönlicher Erfolg diese Tour in der vorgegebenen Zeit durchzufahren, bis eben auf die 150 Kilometer.

Was ist ihr Resümé zum Rennen? Welche neuen Erfahrungen konnten Sie machen und wie beschreiben Sie das Erlebnis?
Yesil: Ganz im Ernst, warten Sie auf den Film und schauen Sie es sich an.

Würden Sie erneut an einem solchen Rennen über eine große Distanz teilnehmen?
Yesil: Ja, warum nicht. Aber ich würde ganz klar trennen: Entweder ist es ein Rennen, oder es ist eine Tour. Ich glaube man kann noch sehr viel mehr aus seinem Körper herausholen wenn mann sich zu einem Rennen als solches bekennt. Und man kann unterwegs sehr sehr viel mehr geniessen wenn man sich zu einer Tour als solche bekennt. Das Transcontinentalrace war für mich letztenendes zwar eine einmalige Erfahrung, aber bezugnehmend auf meinen ursprünglichen Traum dann irgendwie doch ein Kompromiss.


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